FEST18+ 2025

8. Bundesweite Fachtagung Erwachsenen-Streetwork
Zwischen Anspruch und Asphalt
Vom Scheitern und Weitermachen in der Straßensozialarbeit
22.09. - 24.09.25
Darmstadt
Tagungsthema
Barrieren und Bürokratie im Hilfesystem; mangelnde und unpassende Angebote; Kürzungen und Schließungen von Projekten; die eigenen Ideale und Ansprüche treffen auf die Realität; schwer erreichbare oder kaum vermittelbare Adressat:innen; Todesfälle... wir alle sind vermutlich an der ein oder anderen Stelle in der Straßensozialarbeit schon mit Hürden und kleineren oder größeren Misserfolgen und Fehlschlägen konfrontiert worden.
Wir wollen daher dieses Jahr die Tagung dem Thema Scheitern widmen.
Was ist Scheitern eigentlich? Wer ist wann, wie und überhaupt gescheitert? Scheitern wir oder die Adressat:innen - oder sind es die Rahmenbedingungen? Wie gehen wir damit um - als Profession aber auch persönlich? Wo sind die eigenen Grenzen? Was hilft uns resilient zu bleiben und weiterzumachen?
Wir freuen uns auf drei Tage voller spannender Vorträge, Workshops, Austausch und Diskussion mit euch!
Veranstaltungsort
Kulturzentrum Bessunger Knabenschule
Ludwigshöhstraße 42
64285 Darmstadt
Montag
11:00 Uhr Anmeldung und Registrierung, Markt der Möglichkeiten
13:00 Uhr Plenum: Begrüßung und Eröffnungsrede, Grußworte Politik, Vorstellung Orga-Team und scentral – Suchthilfe Darmstadt
14:00 Uhr Plenum: Soziometrische Aufstellung und Murmelgruppen
15:00 Uhr Pause, Zeit zum Einchecken
16:00 Uhr Plenum: Von der Bedeutung des Scheiterns in der Sozialen Arbeit, Vortrag von Julia Märk
18:30 Uhr Abendessen und gemeinsamer Ausklang
Dienstag
10:00 Uhr Exkursionen
12:30 Uhr Mittagessen
13:30 Uhr Workshops Durchgang 1
15:30 Uhr Kaffeepause
16:00 Uhr Workshops Durchgang 2
18:00 Uhr Gruppenfoto
18:30 Uhr Abendessen
20:00 Uhr Afterhour
Mittwoch
09:30 Uhr Ankommen
10:00 Uhr Plenum: Kristische Sozialarbeit, Vortrag von Prof. Dr. Dr. Roland Anhorn
12:00 Uhr Mittagessen und Abreise
Vorträge
Julia Märk (FHV Vorarlberg)
Von der Bedeutung des Scheiterns in der Sozialen Arbeit
Soziale Arbeit begegnet täglich dem Scheitern. Die Profession Soziale Arbeit arbeitet vermehrt mit Menschen, die in ihren Lebensverhältnissen mit Scheitererfahrungen konfrontiert sind und vielfach gesellschaftlich als gescheitert wahrgenommen werden. Obwohl diese Allgegenwärtigkeit des Scheiterns vorliegt, thematisiert die Soziale Arbeit das eigene Scheitern kaum. Angesichts der Präsenz des Themas befasst sich die Soziale Arbeit im deutschsprachigen Raum nur wenig mit der empirischen Erforschung und der theoretischen Umrahmung des Scheiterns in der Sozialen Arbeit. Für die Soziale Arbeit ist es unerlässlich, dem eigenen und gesellschaftlichen Scheitern mit Offenheit und kritischer Reflexion entgegenzutreten.
Im Vortrag wird versucht, manches Scheitern in der Sozialen Arbeit zu beleuchten, vieles bleibt jedoch im Verborgenen. Ziel ist es, sich dem Thema anzunähern und sich kritisch-reflexiv mit Scheitern in der Sozialen Arbeit auseinanderzusetzen.
Prof. Dr. Dr. Roland Anhorn (ev. Hochschule Darmstadt)
Kritische Sozialarbeit
Was kritische Soziale Arbeit theoretisch wie praktisch bedeuten könnte, soll am Beispiel Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe durchgespielt werden. Dabei werden mit den Macht- und Herrschaftstechnologien der Kriminalisierung und Pathologisierung von Wohnungslosen auf der einen und dem Konzept des „Housing First", seinen Grenzen und Perspektiven, auf der anderen Seite zwei auf den ersten Blick recht disparate Thematiken herausgegriffen, die sich allerdings gut dazu eignen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln die generellen Konturen einer kritischen Sozialen Arbeit zu umreißen.
Workshops
Anna Sauerwein ist Diplom-Sozialarbeiterin (FH), hat einen Master in Praxisforschung in der Sozialen Arbeit und arbeitet als Straßensozialarbeiterin bei Gangway e.V. in Berlin. Sie promoviert an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Bereich Erziehungswissenschaften zur Wohnungslosenbewegung in den USA
Zwischen Scheitern und Widerstand – Streetwork im Kontext von Räumungen
Was tun, wenn Streetwork an seine Grenzen stößt? Ordnungspolitische Maßnahmen bedeuten Repression und Verdrängung für die Adressat*innen – Fachkräfte stehen dem oft machtlos gegenüber.
In der Präsentation teile ich Einblicke aus meiner Forschung zur Wohnungslosenbewegung in San Francisco. Dort habe ich aktivistische Organisationen, wie das Western Regional Advocacy Project und die Coalition on Homelessness San Francisco begleitet, die sich gegen die systematischen Räumungen (Sweeps) von Menschen in Wohnungsnot wehren. Im Mittelpunkt stehen Momente des erlebten Scheiterns angesichts repressiver Stadtpolitik – und die widerständigen Praxen, die daraus entstanden: wie z.B. rechtliche Aufklärung (Know Your Rights-Flyer), solidarische Vernetzung und künstlerisch-politische Kampagnenarbeit.
Anschließend richten wir den Blick auf die gegenwärtige Situation in Berlin, die von zunehmender Verdrängung, Repression und regelmäßigen Räumungen geprägt ist. Ein Ausblick zeigt aktuelle Initiativen wie die Forderung nach einem Tagestreff und die Kampagne #MSKM – Menschen sind kein Müll und ich lade euch zur gemeinsamen Reflexion ein:
- Was bedeutet es, wenn Scheitern nicht individuell, sondern strukturell bedingt ist?
- Wie lässt sich mit dem Scheitern produktiv umgehen?
- Welche Formen der Vernetzung, des Protests oder der politischen Einflussnahme sind im Feld der aufsuchenden Sozialarbeit möglich – und legitim?
Marcel Redling arbeitet im Übergangsmanagement der Diakonie in der JVA Darmstadt. Er ist Sozialarbeiter und Theologe und seit vielen Jahren ebenso als Trauerredner tätig.
Über den Tod spricht man nicht?
Unser Leben ist auf vielfältige Weise von Verlusten geprägt. Wenn ein Mensch stirbt, ist dies stets eine tiefgreifende und existenzielle Verlusterfahrung. Trauer ist eine natürliche Reaktion auf einen solchen Verlust. Verlust, Tod und Trauer sind Querschnittsthemen, die alle Handlungsfelder der Sozialen Arbeit betreffen. Insbesondere in der Drogenhilfe und der Wohnungslosennotfallhilfe kann es häufiger passieren, dass Fachkräfte damit konfrontiert werden, dass Klient*innen versterben. Ungeachtet dessen werden diese Themen nach wie vor eher randständig behandelt. Gesellschaftliche Tabus sowie Trauernormen erschweren den angemessenen Umgang damit. Verstirbt ein/e Klient*in stehen Fachkräfte der Sozialen Arbeit vor der Herausforderung einen professionellen Umgang an den Tag zu legen, etwa im Umgang mit den Angehörigen, innerhalb des Teams, der Einrichtung sowie persönlich.
Ziel des Workshops ist es unter anderem, einen persönlichen Zugang zu einem schwierigen Thema zu finden, Trauerprozesse besser zu verstehen und das eigene Erleben zu reflektieren. So können Unsicherheit, Berührungsängste und die eigene Betroffenheit, die mit solchen Themen einhergehen, abgebaut werden.
Stefanie Sur (Caritas Berlin, Streetwork „Nur nach Hause“ mit Schwerpunkt der TRIA Gesundheitsberatung/Straßenambulanz/med.Versorgung)
"Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Art.1 GG) & Gesundheit sogar ein Menschenrecht – in der Realität erleben wir beides oft anders
Ist es nur unser subjektives Empfinden, dass Krankheit und Sterben auf der Straße „anders“ geworden ist? Der Workshop soll eine Übersicht über Hintergründe und Entwicklungen zu dem Thema bieten, sowie Stand und Bedarfe in der medizinischen Versorgung von obdach- und wohnungslosen Menschen beleuchten.
Wie gelingt medizinische Versorgung und Begleitung in Krankheit, wenn der Zugang zum Regelversorgungssystem so oft verwehrt bleibt? Wie kann Straßensozialarbeit und medizinische Versorgung zusammen wirken? Was bleibt UNS? Welche Netzwerke tragen?
Welche Ressourcen und Grenzen kennen und (er)finden wir neu – wenn Scheitern auch Chancen mit sich bringen darf? Ich freue mich auf den Austausch mit Euch!
Vanessa Zillekens (Anti-Stress-Trainerin, Systemische Coach, Gründerin von INCQ - Entwicklung für soziale Organisationen) & Aljoscha Faske (Systemischer Coach, Resilienz-Trainer)
SCHEITERN? STÄRKT! Von Resilienz und dem Umgang mit Rückschlägen in der Straßensozialarbeit.
Streetwork ist geprägt von unermüdlichem Einsatz – oft unter schwierigen Bedingungen und mit ungewissem Ausgang. Doch was passiert, wenn die eigenen Anstrengungen scheinbar ins Leere laufen? Wenn Maßnahmen nicht greifen, Kontakte abbrechen oder Strukturen stärker sind als jede Intervention? Dann bleibt ein Gefühl zurück, das viele kennen – Scheitern.
Im Workshop stellen wir das Scheitern nicht in Frage, sondern in den Mittelpunkt.
Gemeinsam gehen wir der Frage nach, wie Scheitern unsere Selbstwahrnehmung und Motivation beeinflusst – und wie wir einen individuell stimmigen, resilienzfördernden Umgang damit finden. Dabei setzen wir auf Schwarmintelligenz, Austausch und erfahrungsorientierte Methoden. Vielleicht scheitern wir sogar gemeinsam – spielerisch, konstruktiv und mit überraschenden Erkenntnissen.
Für alle, die die eigene Arbeit wertschätzen wollen – auch, wenn nicht alles gelingt.
Exkursionen
Eine Straße, zwei Kilometer, viele Orte die für Klient:innen und Adressat:innen der aufsuchenden Straßensozialarbeit eine Relevanz haben. Eine Straße, viele Sozialräume - Eine begehbare Sozialraumstudie.
Eine Stadtführung durch den Herrngarten, vorbei an Landesmuseum und Staatsarchiv, mit einem Besuch am Luisenplatz und weiter an das Residenzschloss – doch die Brille ist die der aufsuchenden Straßensozialarbeit.
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Die Tagungsgebühr beträgt 100€ inklusive Mittag- und Abendessen
Anmeldeschluss ist der 05.09.2025